Heimatmuseum

Bad Kösen. Heimatliche Geschichtsbilder, Bad Kösen 1930

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„Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch.“
Offizielle deutsche Übersetzung der neuen Definition für Museen - Beschluss der außerordentlichen Generalversammlung am 24. 08. 2022 in Prag
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Werk von Curt Koch - Kurmittelhaus 1928
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15.August 1930

Eine Führung durch das Bad Kösener Heimatmum von Museumsleiter Hinsche. Aus Heimatliche Geschichtsbilder. Bad Kösen 1930, S. 171–173.

Das anschaulichste und wirkungsvollste Mittel, derartige Kenntnisse zu erwerben, sind unstreitig die Sammlungen heimatgeschichtlicher Gegenstände, d.h. wenn sie der großen Öffentlichkeit zugängig sind. Zum Besuche großer Museen, wohin die Fundstücke der Heimat überführt werden mußten, fehlt es der Allgemeinheit an Zeit und Geld. Darum ist es eine äußerst dankbare Aufagbe auch der kleinen Städte, Heimatmuseen zu errichten. Auch unsere Stadt Bad Kösen besitzt schon seit mehreren Jahren ein solches. Schon vor den Kriegsjahren wurde durch Stadtinspektor Röblitz der Grund hierzu gelegt. Der Raum, in dem die Sammlung untergebracht war, wurde seit 1918 als Büro von der Stadtverwaltung gebraucht, und so lagen die Gegenstände eine Zeit lang in einem verborgenen Winkel. Auf Veranlassung des Bürgermeisters Ciorek wurde durch Ausbau eines Teiles des Dachbodens im Kurmittelhause ein Raum geschafften, wo das Museum neu erstand, und der Leiter, Konrektor Hinsche, erweiterte dasselbe durch Hinzufügung seiner eigenen Sammlung. Leider ist auch dieser Raum zu klein und es gibt von ihm das Wort: „Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen”.

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"Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen”.


Die Raumenge ist auch daran Schuld, daß viele Gegenstände nicht so aufgestellt werden konnten, wie sie hätten ausgestellt werden müssen. Und doch hat die Einrichtung und die Mannigfaltigkeit des Museums schon so machmal die Anerkennung der Betrachter gefunden. So trug ein Kurgast aus Westfalen folgende Worte in das ausliegende Fremdenbuch ein: „Das Kösener Heimatmuseum zeugt von einer großen persönlichen Liebe des Herrn Leiters”. Und Frau Gräfin Elsa von Grebenstein-Eisenach schreibt: „Herzlichen Dank für die so interessanten Stunden im Kösener Heimatmuseum”.! Im Nachstehenden soll nun versucht werden, dem Leser einen kurzen Überblick über die Kapitalstücke der Sammlung zu bieten. Zunächst gibt eine geologische Sammlung Kunde von der Beschaffenheit des heimatlichen Bodens. Aus der Trias-, Dyas- und Diluvialfauna sind viele charakteristische Stücke vorhanden, so z. B. Terebratula, Myophoria, Lima, Ammoniten, Knochenfragemente und Zähne von Sauriern, Teile der Eucrinus liliformis (Seelilie), Seeigel, Fisch- und Blattabdrucke, Schenkelknochen, Teile von Stoßzähnen und Backenzähnen des Mammuts, Schädel mit Zahn des Rhinozeros, Tichorhinus, Geweihstücke des Riesenhirsches, Zahn des Höhlenbären, Kiefer und Hufe des Wildpferdes, Geweihstücke des Renntiers, alles Funde aus den Kalksteinbrüchen, dem Schwemmsand und den Kiesschichten der Arnoldschen Ziegelei und der Zementfabrik.

Die nächste Gruppe

führt uns in die Abteilung der Stein- un Bronzezeit. Wir sehen mehrere Menschenschädel der jüngeren Steinzeit, Gefäße mit Leichenbrand und Schmuckstücken, Handmühlen mit Reibesteinen, Klopfsteine, Werkzeuge und Waffen aus Stein und Knochen in allen Formen, Steinhämmer und Steinäxte durchbohrt und geschäftet, Schaber, Messer, Pfeilspitzen, Wohngrubenfunde, Webegewichte, Spinnwirbel, Schlittschuhe aus Knochen, Knochennadel und Knochenpfrieme, Bronzenadeln und Bronzefibeln u. a. m., alles Fundsstücke aus Kösen, Fränkenau, Pforte und Kukulau.

Die dritte Abteilung

enthält eine reichhaltige Sammlung von Säbeln, Revolvern und Büchsen bis zum schwersten Gewicht, Feuersteinwaffen, Zündnadelgewehre und neuere Modelle, Morgensterne, Helme, Trommeln und Trompeten von 1806. Viele gute Fundstücke sind auch aus den Tagen von Hassenhausen und dem Gefecht bei Kösen vorhanden. Unter Glas und Rahmen sehen wir dann Innungs- und Patenbriefe, alte Steuerbücher, alte Schriften aus Pergament und Papier, Münzen, Medaillen, ein Stück unserer 1917 geopferten Glocken und einen alten Stundenplan aus dem Jahre 1808, der uns zeigt, wie unsere Vorfahren in 60 Wochenschulstunden geplagt wurden. Dann folgen Bilder aus Kösens Vergangenheit. Sie zeigen den Entwicklungsgang unseres Bades vom schlichten Flößer- und Salinendorfe zum aufblühenen Badeort. Zahlreich sind auch die Bildnisse und Pastelle von Männern, die in Kösen lebten, wirkten und starben. Auch die Bilder des Vaters der sächsischen Salinen, Bergrats Borlach, und der Ehrenstiftsdame Ferdinande von Schmettau fehlen nicht.

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Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf dem Altar des Vaterlandes 1813, Gemälde von Gustav Graef

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Eine weitere Sammlung

enthält eine Reihe von Frühdrucken von Bibeln, Gesangbüchern und Gebetbüchern, alte Gesetzessammlungen, Kreisblätter von 1820 ab, alte Poesiealbums, Schulakten, Kassenbücher der Königl. sächsischen Saline Kösen und eine Sammlung von Pfortaer und Kösener Kirchenzetteln des abgelaufenen Jahrhunderts, die für die Familiengeschichte der alten Kösener Familien wertvolle Angaben enthält. Reichhaltig ist auch die Gruppe des Gewerbes und Kunstgewerbes vergangener Zeiten. Von der vornehmen Lampe des Patrizierhauses bis zum Sparlämpchen aus den Kriegsjahren sind alle Formen der Beleuchtungskörper aus der Zeit unserer Voreltern vorhanden. Dazu kommen noch Kaffeemühlen, Teller, Löffel und Schüsseln aus Zinn, Uhren, Becher, Zuckerdosen, Blumenvasen usw. Endlich fehlt es nicht an Werkzeugen aus Großmutters Zeiten, wie Spinnräder und Flachsbreche, Flachsschwinge, Flachshechel, die zur Flachsbereitung benötigt wurden. Auch alte Truhen aus alten Kösener Familien, Reisekoffer mit einer Schweinshaut umkleidet und die künstlerisch gearbeitete Lade der Kösener Gesamtinnung fehlen nicht. In einem alten Glasschrank ist altes Meißener Porzellan von allen Gattungen, Gegenstände mit Perlenstickerei und Trachtenpuppen sorgfältig aufbewahrt. An die Zeit der Inflation und des Krieges erinnern Butter-, Brot- und Zuckermarken, auch eine große Sammlung von Notgeldscheinen aus allen Teilen Deutschlands. An der Tür prangt die schwarz-rot-goldene Fahne, die 1849 in dem damals freiheitlich gesinnten Kösen wehte. Aus den nicht lückenlos aufgeführten Gegenständen wird wohl der Leser einen raschen Überblick über die Mannigfaltigkeit der vorhandenen Heimatstücke des Museums bekommen haben.

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Konrektor Anton Hinsche vollendet am 15. August 1950 sein 75. Lebensjahr.

Dieses Tages soll auch an dieser Stelle dankbar gedacht werden angesichts der Verdienste, die Hinsche sich um die Kurverwaltung erworben hat. In uneigennütziger Weise hat er die weilenden Kurgäste in die nähere und weitere Umgebung unseres Solbades geführt und ihnen dabei sein umfangreiches heimatliches Wissen vermittelt. Nie hat er versagt, wenn es galt, den Kurgästen Abwechslung und Ablenkung zu schaffen. Über 30 Jahre hat Hinsche an der Kösener Stadtschule gewirkt. Als Organisator und Leiter des Kösener Heimatmuseums hat er sich besondere Verdienste erworben. Stadt und Kurverwaltung danken dem Jubilar für sein selbstloses im Interesse unseres Kurortes liegendes Wirken und wünschen ihm für die Zukunft alles denkbar Gute.

  • Werk von Curt Koch Kurmittelhaus 1928

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